Das revolutionärste Team der Liga: Wo die Patriots sich von den anderen NFL-Teams unterscheiden

Die New England Patriots gehen in mehreren Bereichen andere Wege, als die meisten NFL-Franchises.
ran.de erklärt die besonderen Methoden der Patriots.

13.06.2016 13:15 Uhr / ran.de / Jan Horstkötter

Bill Belichick und Tom Brady
Seit 2000 bei den New England Patriots vereint: Bill Belichick (li.) und Tom Brady © 2015 Getty Images

München – Die New England Patriots sind eines der erfolgreichsten NFL-Teams des neuen Jahrtausends. Seit Bill Belichick 2000 als Cheftrainer und General Manager übernommen hat, stand die Franchise aus Boston in sechs Super Bowls, von denen sie vier gewann.

Aber was macht den Erfolg der Patriots aus? Wie heben sie sich vom Rest der Liga ab? Und können sie auch nach der Ära Brady erfolgreich sein?

Zweiköpfiges Tight-End-Monster in der kommenden Saison

In der kommenden Spielzeit werden die Patriots auf ein älteres System zurückgreifen, mit dem sie in den Jahren 2010 bis 2012 schon äußerst erfolgreich waren: Ein zweiköpfiges Tight-End-Monster.

Durch die Verpflichtung von Martellus Bennett von den Chicago Bears bekommt Rob Gronkowski einen der besten Tight Ends der Liga als Nebenmann. Der 29-jährige Bennett erzielte in den letzten drei Spielzeiten über 2100 Yards und 14 Touchdowns – und das in einer Bears-Offensive, in der noch andere Mäuler gestopft werden mussten.

So kamen alleine die beiden Top-Receiver Alshon Jeffery und Brandon Marshall in dieser Zeit gemeinsam auf über 5300 Yards und 41 Touchdowns. Wobei Marshall im dritten Jahr nicht mehr für Chicago auflief.

Erfolgreiches System in der Vergangenheit

Bennett wird nach der Saison Free Agent. Sollte das Experiment mit zwei Pro-Bowl-Tight-Ends schief gehen, muss Bennett nicht weiter ausbezahlt werden. Aber warum sollte es nicht funktionieren?

Das letzte Mal als Brady zwei Tight Ends von diesem Kaliber vor sich hatte, lieferte er die statistisch gesehen beiden besten Spielzeiten seiner Karriere ab. Denn vor sechs Jahren waren Aaron Hernandez und Rob Gronkowski der Albtraum sämtlicher Defensiven. Über 3400 Yards und 56 (!) Touchdowns, lieferten die beiden Tight Ends in knapp zweieinhalb Jahren ab. Dann wanderte Hernandez wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis.

Mehr Raum für die Receiver

Den Defensive Backs wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als einen von beiden zu Doppeln. Das macht es für den zweiten Tight End natürlich einfacher. Zudem bieten sich für Slot-Receiver Julian Edelman und die weiteren Wide Outs dadurch mehr Räume.

Obwohl Aaron Dobson, Nate Washington und Danny Amendola keine absoluten Top-Receiver sind, können auch sie in dieser Offensive glänzen. Kein anderes NFL-Team kann mit einem ähnlichen Tight-End-Aufgebot dagegenhalten. Die Patriots Offensive wird in der kommenden Saison vermutlich noch stärker werden.

Langfristiger Quarterback-Aufbau

Aber wie sieht es für die längerfristige Zukunft der Patriots aus? Tom Brady ist 38 Jahre alt und geht bereits in seine 17. Spielzeit im Patriots-Jersey. Bis 2019 läuft der Vertrag des Ausnahme-Quarterbacks noch, aber was kommt danach? Seit zwei Jahren bereiten sich die Patriots darauf vor. Mit einem System, das eigentlich als Parade-Weg gilt, aber von viel zu wenigen Teams wirklich umgesetzt wird.

Mit Jimmy Garoppolo wurde 2014 ein junger Nachwuchs-Quarterback in der zweiten Runde des NFL-Drafts ausgewählt. Als fünfter Quarterback overall, hinter den Pro Bowlern Derek Carr und Teddy Bridgewater, Jaguars-Starter Blake Bortles und einem gewissen Johnny Manziel, wurde Garoppolo gepickt.

Garoppolo 2016 vermutlich Starter

Der 24-Jährige geht in seine dritte Saison mit den Patriots und kann in der kommenden Spielzeit zum ersten Mal sein Talent beweisen, denn Brady wird vermutlich aufgrund der Deflate-Gate-Affäre für die ersten vier Spiele gesperrt sein.

Bisher konnte er zwei Jahre lang mit dem besten Quarterback der Liga trainieren. Das Ziel ist es, Garoppolo langsam aufzubauen, ihn von einem Star-Quarterback lernen und ihn in Zukunft die Franchise anführen zu lassen. Andere Quarterbacks werden sofort ins kalte Wasser geworfen, was schon öfters fehlgeschlagen ist. Wie zum Beispiel bei EJ Manuel oder Mike Glennon, die einfach noch nicht bereit für die NFL waren.

Garoppolo lieferte während des NFL-Combines überall bessere Werte als Tom Brady ab, was allerdings auch nicht allzu schwer ist. Noch 16 Jahre später ist Bradys Zeit über die 40 Yards-Distanz der schlechteste Wert, den je ein Starting-Quarterback hingelegt hat.

Talent bei den Draft-Picks

Aber genau das zeigt ein besonderes Talent der Patriots – und vor allem von Bill Belichick in seiner Rolle als General Manager. Wie keiner anderen Mannschaft gelingt es dem Team aus New England immer wieder durch kluge Trades oder späte Draft-Picks zukünftige Leistungsträger zu verpflichten.

Wie eben Tom Brady. Im Jahr 2000 an 199. Stelle ausgewählt, entwickelte er sich zu einem der besten Quarterbacks aller Zeiten. Vier Super-Bowl-Triumphe und elf Pro-Bowl-Teilnahmen sprechen für sich.

Es ist nicht das einzige Mal, dass Bill Belichick sein goldenes Händchen im Draft zeigte. Wo andere Teams eher konservativ rangehen, zeigt sich Belichick aggressiv. Er legt seinen Fokus oft nicht auf den einen Spieler, auf den Topstar. Für ihn steht die Breite an Spielern im Vordergrund.

Zusätzliche Draft-Picks durch Inaktivität bei den Free Agents

Aus diesem Grund zeigt er sich auf dem Free-Agent-Markt eher zurückhaltend. Eine Strategie, die kaum ein anderes Team wie die Patriots verfolgt, denn dadurch erhält das Team sogenannte Compensatory Picks. Dabei handelt es sich um zusätzliche Draft-Picks, die von der Liga an Mannschaften vergeben werden, die mehr Spieler als Free Agents abgeben, als dass sie aufnehmen.

Pro Jahr werden 32 von diesen Zusatzpicks vergeben. Alleine in den vergangenen drei Jahren erhielten die Patriots sieben Stück davon. Und auch Tom Brady wurde 2000 mit genau so einem Pick ausgewählt.

Down-Traden zahlt sich auch

Eine weitere Draft-Strategie der Patriots ist das Down-Traden der eigenen Picks. Belichick gibt gerne frühere Picks ab und sammelte dafür mehrere Late-Round-Picks, mit beachtlichem Erfolg. Beispiel gefällig?

2013 tradeten die Patriots ihren Erstrundenpick zu den Minnesota Vikings – die damit Wide Receiver Cordarrelle Patterson auswählten, der mittlerweile gefloppt ist – und erhielten dafür einen Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftrundenpick. Damit wählten sie die noch heute aktiven Leistungsträger Jamie Collins (Pro Bowler), Logan Ryan und durch einen Trade LeGarrette Blount aus.

Schachzug bei Edelman und Gronkowski

Noch ein Beispiel für das unglaubliche Trade-Talent von Belichick gefällig? Jetzt wird es kompliziert: 2009 tradeten sich die Patriots mit den Ravens in der ersten Runde von Position 23 auf 26 herunter und erhielten dafür einen zusätzlichen Fünftrundenpick. Beide Picks verrechnete Belichick mit Green Bay und bekam dafür einen Zweit- und zwei Drittrundenpicks.

Zwei dieser Picks nutzte Belichick direkt aus. Den verbleibenden Drittrundenpick gab er an die Jacksonville Jaguars weiter und erhielt dafür einen Siebtrundenpick und einen Zweitrundenpick im kommenden Jahr.

Das Resultat des Siebtrundenpicks: Julian Edelman. Mit dem Zweitrundenpick im folgenden Jahr tradeten sich die Patriots noch um zwei Positionen nach oben und wählten an 42. Stelle Tight End Rob Gronkowski aus. Zwei Topstars, die die zentralen Anlaufstellen für Tom Brady in der heutigen Patriots-Offensive sind.

Erfolgreiche Zukunft ohne Brady

Aber auch mit späten Draftpicks beweist Belichick immer wieder Talent. Nicht nur Brady und Edelman wurden erst in fortgeschrittenen Runden ausgewählt. Cornerback Asante Samuel (2003 an 120. Stelle, vierfacher Pro Bowler), Center Dan Koppen (2003 an 164. Stelle, Pro Bowler und zweifacher Super-Bowl-Champ) oder Special Teamer Matthew Slater (2008 an 153. Stelle, fünffacher Pro Bowler) um nur ein paar zu nennen – von Super-Bowl-Held Malcolm Butler mal ganz abgesehen.

Die New England Patriots verhalten sich in einigen Bereichen völlig anders als die restlichen NFL-Franchises. Aber genau dies lässt sie so erfolgreich sein. Wenn sich der langsame Aufbau von Garoppolo bewährt, der Versuch mit dem zweiköpfigen Tight-End-Monster erneut erfolgreich ist und Belichick an seinen unkonventionellen Draft-Strategien weiter festhält, werden die Patriots auch in den kommenden Jahren immer ein Anwärter auf den Super Bowl sein.


Ein Artikel von ran.de!

Autor: Jan Horstkötter
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